Liebe michilove,

danke für dein Vertrauen. Es klingt so, als ob du eine sehr aufmerksame Klasse hast. Es braucht nämlich auch Aufmerksamkeit, dass man nicht wegschaut, wenn einem auffällt, dass es einer Klassenkameradin nicht so gut geht. Und gleichzeitg braucht es auch die Offenheit, ein Thema anzusprechen. Ich finde, dass all das zeigt, dass du ihnen wichtig bist und dass sie sich Sorgen machen. Das ist doch eigentlich ein sehr schönes Kompliment!

Es ist oft so, dass die Pubertät nicht einfach ist, weil sich so viel verändert. Wir hören sehr oft, dass Jugendliche dann in der Zeit besonders viele Diskussionen mit ihren Eltern haben. Gut möglich, dass auch - ohne dein Dazutun - gerade einfach aus dem Grund auch etwas dicke Luft ist bei euch zu Hause. Manchmal ist es auch so, dass Eltern eine Mehrfachbelastung haben, d.h. selber gestresst sind und dann ihren Druck nahtlos weitergeben. Auch das hätte dann vor allem mit deinen Eltern zu tun und nicht so sehr mit dir. Du siehst: Es kann viele Gründe geben, weshalb du Ärger nicht immer persönlich nehmen solltest. Natürlich ist es vorbildlich, wenn du immer auch schaust, ob auch du etwas falsch gemacht hast. Aber du solltest da auch nicht zu streng mit dir sein. Versuche, es so zu sehen: Fehler können immer passieren. Wichtig ist, dass man etwas daraus lernt, Erfahrung mitnimmt und es das nächste Mal besser macht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass für dich eine grosse Hilfe wäre, wenn du da eine gewisse Gelassenheit entwickelst.

Was kann man tun, um diesen inneren Druck loszuwerden, den man in solchen Situationen fühlt?

• rotelinien.de, ein Selbsthilfeportal für Betroffene, empfiehlt, Alternativhandlungen zum SVV. D.h. Handlungen, bei denen du dich nicht verletzt, die dir aber auch helfen, dich besser zu fühlen. Studien haben nämlich ergeben, dass Mädchen, die sich ritzen, oft einen starken Impuls suchen, um sich wieder wahrnehmen zu können. Solche Alternativhandlungen könnten sein: einen Eiswürfel auf das Handgelenk drücken; ein Gummiband aufs Handgelenk spicken lassen; auf ein Kissen boxen; malen, schreiben - sich kreativ auspowern. Lies den Link durch und versuche herauszufinden, was für dich passt. Wichtig ist, dass du versuchst, einen anderen Weg zu finden als SVV.
• Es ist wichtig, dass du dich nicht runterziehen lässt - die Reaktion und Anteilnahme deiner Freunde zeigt, wie gern man dich hat. Ich bin sicher, dass es sehr viele Dinge gibt, die du gut kannst. Oft hilft es, wenn man sich auf einer Liste notiert, was man alles gut kann. Dabei sollte man auch Kleinigkeiten nicht vergessen, die vielleicht nicht so sichtbar sind, wie z.B. eine gute Note in der Schule. Dazu könnte gehören: Eine gute Zuhörerin sein / eine aufmerksame Freundin sein / orginelle Ideen haben / einen guten Geschmack haben / usw. Nimm diese Liste dann hervor, wenn du dich wieder schlecht fühlst und lies laut für dich vor, was du gut kannst.
• Gute Tipps, wie du das Selbstbewusstsein stärken kannst und erst noch witzig aufgemacht, findest du übrigens auch auf feel-ok.ch.
• Manche bekommen den Kopf frei durch viel Bewegung. Ob joggen, tanzen zu lauter Musik oder eher Entspannungsübungen wie Yoga: Ein gutes Körpergefühl hilft, sich besser wahrzunehmen. Das ist gerade dann eine grosse Hilfe, wenn man sich nicht so gut fühlt.
• Wenn du dich am Abend sehr down fühlst und auch alternative Handlungen nicht helfen: Falle nicht in alte Muster und rufe besser die Telefonnummer 147 an - auch ein direktes Gespräch kann Wunder wirken! Und natürlich kannst du auch uns jederzeit wieder schreiben.

Nun wünschen wir dir von Herzen alles Gute. Ganz herzliche Grüsse, dein Tschau.